Sarah Wiener ist als Spitzen-Köchin im TV berühmt geworden – und heute EU-Parlamentarierin für die österreichischen Grünen. Ihr Bio-Gut Kerkow in Brandenburg ist Naturland zertifiziert. Aus Anlass des 40-jährigen Jubiläums des Öko-Verbands erzählt sie im Interview, was echtes Bio ist, inwiefern Veganer:innen irren – und wieso Kinder köstliches und gesundes Essen selbst zubereiten sollten.
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Liebe Frau Wiener, Bio: Was ist das für Sie eigentlich?
Sarah Wiener: Zwischen Bio und Bio liegt nochmal ein Kilometer. Es gibt die Anbauverbände wie Naturland und es gibt EU-Bio. Deshalb spreche ich lieber vom ökologischen Landbau oder einem ökologischen Landwirtschaftssystem. Wichtig ist, dass die Vielfalt der Ökosysteme, ob in unserem Darm oder unter dem Boden, geschützt und gestärkt werden.
Haben Sie eine Zielvorstellung bei der Arbeit für Bio?
Sarah Wiener: Mein Ziel ist, dass wir vielfältig, mit alten Sorten, alten Rassen, schmackhaften Gemüse, Obst und Kräutern und Pilzen und Samen versorgt werden. Dass wir gleichzeitig die Natur schützen, und unvergiftete Lebensmittel haben. Wir sollten die Wahl haben, ob wir hochverarbeitete, mit Zusatzstoffen aufgepimpte Lebensmittel essen wollen - oder das köstliche Ursprungsprodukt.
Sie setzen sich auch für Kinder ein, mit Ihrer Sarah-Wiener-Stiftung. Was genau macht die Stiftung?
Sarah Wiener: Also einfach gesagt möchte die Stiftung allen Kindern Kochen beibringen. Das fängt an im Kindergarten und in Schulen, also dort, wo alle Kinder erreichbar sind, nicht nur eine Elite. Wir bilden Pädagogen weiter, um mit Kindergruppen zu kochen. Wir sind in Deutschland die größte Ernährungsinitiative und haben in den letzten sechs Jahren mit unserem Partner, der Barmer Krankenversicherung, über 1,2 Millionen Kindern zwischen drei und zehn Jahren Kochen beigebracht.
Was liegt Ihnen bei der Ernährung von Kindern besonders am Herzen?
Sarah Wiener: Kinder legen ein Geschmacksgedächtnis an. Deshalb ist es wichtig, ihnen zu ermöglichen, nachhaltiges, köstliches, frisches und unvergiftetes Essen möglichst früh und in all seiner Vielfalt kennenlernen. Es gibt nichts Besseres, als mit den eigenen Sinnen, mit den eigenen Händen ein Werk zu schaffen und es dann auch noch verputzen zu dürfen. Zum einen macht das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Man hat Wertschätzung sich selbst gegenüber und man kann sich ausdrücken und kreativ sein. Aber es fördert auch Sekundärtugenden wie Rechnen, Lesen und vor allem soziale Fähigkeiten. Kochen heißt nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern ist die erste Säule unserer Existenz, unserer Identität und hat sehr viel mit Kultur zu tun: Wer wir sind und wer wir sein wollen.
Sie sitzen jetzt für die Grünen im EU-Parlament, dabei haben Sie längst Karriere gemacht als Bio-Köchin und Bio-Unternehmerin. Warum tun Sie sich das an?
Sarah Wiener sitzt für die Grünen im EU-Parlament.
Sie haben auf der Biofach gesagt, Veganer schafften nicht das Leid der Tiere ab, sondern die Tiere. Wie haben Sie das gemeint?
Sarah Wiener: Um bessere Tier-Bedingungen zu schaffen, muss ich mich mit dem Tier auseinandersetzen. Das Tier zu ignorieren, indem man sagt „ich esse es ja nicht, ich nutze es ja nicht.“ Das ist zu kurz gedacht! Wir sollten den Mitgeschöpfen helfen, ein wesensgemäßes Leben zu leben, statt zu sagen, ich ignoriere meine Beziehung zum Tier. Ich möchte kein Tier essen, das kein gutes Leben geführt hat! Weil ich dieses Leid mitesse. Ich möchte aber auch kein Tier halten oder sein Leid dadurch befördern, indem ich sein Fleisch viel zu billig kaufe. Ich glaube, wir haben alle eine Verantwortung dieser Welt gegenüber. Für mich gilt auf jeden Fall: ich möchte gern mit der Natur verbunden bleiben und auf dieser Erde sicher stehen als jetzt Surrogate, In-vitro-Fleisch oder 3D-Drucker Speisen zu essen.
Sie sind selbst Naturland Erzeugerin auf Hof Kerkow in Brandenburg. Was wünschen Sie Naturland in den nächsten 40 Jahren?
Sarah Wiener: Ich wünsche mir, dass die Ideen der ökologischen Bäuerinnen und Bauern sich wie ein positiver Virus um die ganze Welt verbreiten. Und uns zu besseren, vielfältigeren, genießerischen Esserinnen und Essern machen. Dass wir alle davon profitieren, wenn wir mit der Natur wieder in den Gleichklang kommen – mit einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und köstlicher Ernährung.
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