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André Nöthling – Öko-Landwirt aus Überzeugung.
Sie sortieren händisch Steine, Kraut und Erdbrocken aus. Aschenputtel lässt grüßen: Die guten Kartoffeln aufs große Förderband, die schlechten aufs kleine. „Auch wenn es harte Arbeit ist, macht die Zusammenarbeit bei der Kartoffelernte jedes Jahr wieder großen Spaß“, sagt André Nöthling. Der 36-Jährige betreibt wie Kollege Räder seit vielen Jahren eine ökologische Landwirtschaft, die nach den strengen Richtlinien des Ökoverbandes Naturland zertifiziert ist. „Bei Verarbeitungskartoffeln, das sind Sorten, die sich für die Verarbeitung im großen Stil eignen, muss es schnell ab in die Fabrik gehen. Denn sie sind nicht lagerfähig. Wir liefern an ‚Die Guten‘, eine Marke der Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG, die daraus Bio-Kartoffelpuffer und -klöße herstellt“, erklärt Eberhard Räder den Non-Stop-Ernte-Einsatz.
Kartoffelernte bedeutet Handarbeit: Steine, Kraut und Erdbrocken müssen aussortiert werden.
„Bio ist für mich die Herausforderung, sich mit Natur zu arrangieren und trotz Verzicht auf chemische Spritzmittel und Dünger dauerhaft eine gute Ernte zu haben“
Der Faktor Zeit spielt generell beim Anbau von Bio-Kartoffeln eine große Rolle. „Unterm Strich hat man im Öko-Landbau vier bis fünf Arbeitsgänge mehr und das ist deutlich zeitintensiver“, resümiert Nöthling. „Es ist nicht einfach, man muss immer auf der Hut sein, dass nichts schiefgeht und oft auch termingerecht auf den Tag bestimmte Arbeiten ausführen“, so Räder. „Im Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft verzichten wir auf Pflanzenschutz und Dünger chemischer Art“, erläutert Öko-Landwirt Nöthling.
Dem gefürchteten Kartoffelkäfer rücken die Öko-Landwirte mit dem Öl des tropischen Neem-Baums zu Leibe.
Eberhard Räder ist Öko-Landwirt aus Leidenschaft. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht.
„Rückblickend weiß ich, dass ökologische Bewirtschaftung hervorragend funktioniert“
Neben Bio-Kartoffeln baut Räder auch Dinkel, Braugerste, Weizen, Kleegras und Sonnenblumen an. Einen Teil davon verfüttert er an seine 900 Bio-Mastschweine, die daraus wieder Mist als „Futter“ für seine Biogas-Anlage machen. Denn auch das ist ein Hofprodukt: grüne Biogas-Energie. Mit seiner innovativen Biogas-Anlage gewann Räder 2012 den Bundeswettbewerb „Musterlösungen zukunftsfähiger Biogasanlagen“.
Eigener Strom wird auf dem Naturland Hof Räder mit Hilfe einer innovativen Biogasanlage erzeugt.
Mit dem Gärrest seiner innovativen Biogas-Anlage düngt er seine Öko-Äcker. Auch André Nöthling profitiert davon: „Im Frühjahr düngen wir die Kartoffeln mit dem Gärrest aus der Biogas-Anlage – das bringt Nährstoffe in den Boden und ist gut für den Humusaufbau.“ Um die sandigen Böden in Unterfranken gesund und lebendig zu halten, setzen die beiden Naturland Bauern auf Sortenvielfalt im Sinne einer mehrjährigen Fruchtfolge. „Nach dem Kartoffelanbau pflanzen wir auf den Flächen mindestens vier Jahre lang andere Sorten wie Kleegras, Weizen, Dinkel, Braugerste oder Erbsen an, erst dann setzen wir wieder Kartoffeln“, erklärt Nöthling. Neben Kartoffeln, seinen 160 Bio-Mastrindern und der Lohnarbeit mit seinen Maschinen stellen diese Felderzeugnisse ein zusätzliches Standbein für den Familienbetrieb dar. Seine Frau und die Eltern arbeiten auf dem Sonnenhof mit. Sein Bruder ist bei Eberhard Räder auf dem Hofgut angestellt.
„Mach’ dein Hobby zum Beruf und du musst nie mehr arbeiten“
Eberhard Räder und sein Mitarbeiter schauen nach, ob die Kartoffeln schon reif sind.
Seit 2006 zeichnet ein Gremium aus Vertreter*innen deutscher Umwelt- und Verbraucherverbände sowie landwirtschaftlicher Organisationen jedes Jahr die „Kartoffel des Jahres“ aus. Damit soll auf die Vielfalt der Kartoffelsorten aufmerksam gemacht werden. Verbraucher*innen kennen aus dem Handel nur ein schmales Sortiment von rund zehn Sorten, dabei gibt es in Deutschland 147 zugelassene Speisekartoffelsorten. Genau diese Vielfalt gilt es zu bewahren. Übrigens: 2019 wurde die Sorte „Quarta“ zur „Kartoffel des Jahres“ gewählt.
Deutschland liegt auf Platz 6 im weltweiten Kartoffelanbau. Dennoch werden gerade im Frühjahr jedes Jahr große Mengen an Kartoffeln aus Israel oder Ägypten importiert, wo es häufig große Probleme mit Wasserknappheit gibt. Dabei kann man, bei gewissen Abstrichen an der Schönheit, das ganze Jahr über deutsche Kartoffeln essen.
Gemäß den Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft stammen gerade mal 2% der Kartoffel-Ernte aus ökologischem Anbau. Hier gibt es also noch Steigerungspotenzial – beim nächsten Einkauf einfach auf das Naturland Zeichen achten.
Dass Kartoffeln in der Küche richtige Allrounder sind ist bekannt. Was viele jedoch nicht wissen: Aus den Knollen lassen sich viele weitere Produkte herstellen, wie zum Beispiel Alkohol, Papier, Folien, Kunstschnee, Pappe, Puder, Seife, Shampoo, Tesafilm, Waschpulver. Erfahre hier wie man aus Kartoffelschalen Spülmittel herstellen kann.